Es erwartet uns ein Aufgebot männlicher Models in auffälligen islamisch inspirierten Designs. Eine männliche Gestalt in Burka gekleidet wandelt auf den Laufsteg, das Ganze umrahmt von Hip Hop Musik. Kubistische Sonnenbrillen entziehen dem Look die Ernsthaftigkeit, der Rücken entblößt und nur von weißen, bedruckten Bändern zusammengehalten, birgt Tendenzen von homoerotischen Zügen. Es offenbaren sich luxuriöse Stoffe in blauen und pinken Pastelltönen, welche mit kontrastreichem Schwarz und purpurnem Lila kombiniert werden. Baggy-Hosen verschmelzen mit Oversized-Shorts; hochgeknöpfte Hemden mit Bändern, die mit Schriftzügen wie »Pull here if u love me« bedruckt sind, erinnern an Hershey Kisses.
Dekonstruierte Blazer, kombiniert mit an Knöchel geketteten Chokers zerreißen Gender, wie es nur von wenigen gekonnt zu erwarten wäre. Sashas Print-Arbeit ist beachtlich: Goldene Reifen, ein in pinke Burkas gekleidetes Pärchen und die infamen 90er Fototapeten avanciert er in illustre Cybertraumwelten, die in der gesamten Kollektion wiederzufinden sind.
Gestylt von Marc Göhring, unterstreicht er die Kollektion mit Kettenschmuck, um uns Hungernden noch die letzte Kirsche auf das überfüllte Sahneeis zu setzen.
Sasa Kovacevic, einer der stärksten Vertreter der subkulturellen Schöpfungen in Berlin, ist im Kontrast dazu eine lockere und angenehme Gestalt. Beobachtet man ihn im Chaos des Backstage-Bereichs, ist er gelassen ruhig und besonnen. Nach seiner Show haben wir uns mit ihm zusammengesetzt. Über die Rolle der Frau, Marina Abramovic und die aufkommende Generation von jungen Kreativen gesprochen.
://CC: Die letzte Saison hast du viel mit warmen Farben gearbeitet, Orange war die dominanteste in dieser Kollektion. Dieses mal waren Pink und Blau dran. Auch viele Referenzen zum Islam waren vorzufinden. Wie hast du deine Idee entwickelt, was war die Identität deiner Kollektion?
SASA: Als erstes entwickle ich immer den Print der Kollektionen, für mich hat er die größte Bedeutung. Während dieses Kreationsprozesses entwickeln sich immer schon Tendenzen. Verschiedene Kulturen spielten von jeher eine große Rolle in meiner Findungsphase, besonders die Kulturen, die mit meiner verankert sind. Der Islam gehört dazu, vielleicht nicht so stark wie andere Kulturen, wenn man bedenkt, dass ich aus einem Ex-Jugoslawischem Land komme. Dieser Vorgehensweise bleibe ich eigentlich immer treu.
://CC: Und deine Intention?
SASA: Meine Intention hinter dieser Kollektion war es, ein postmodernes Bild des Islams zu schaffen. Zu Beginn sammelte ich traditionelle Bilder und Malereien, die ich aber schnell verworfen habe, um meinen Blick moderneren, zeitgenössischeren Interpretationen zuwenden zu können. Letztendlich habe ich meine größte Inspiration aus dem Internet geschöpft.
://CC: Wie du schätze ich den Islam auch sehr und genieße viele Aspekte dieser so reichen Kultur. Seit einer Weile steht der Islam leider nicht nur wegen seines kulturellem Reichtums im Vordergrund, sondern vor allem auch wegen des Islamischen Staats. Haben dich die Vorkommnisse in deiner Arbeit beeinflusst?
SASA: Ich folge diesem Geschehen nicht wirklich. Nachdem ich die Kollektion entworfen hatte, besuchte ich lediglich Doha, mein erster Besuch im Nahen Osten. Ich erinnere mich noch an meinen gespannten Zustand vor Antritt der Reise. Meine Erwartungen wurden mehr als übertroffen. Die Stadt war hoch komplex und an Modernität kaum zu übertreffen. Sie glich einer Cyberwelt und verdeutlichte mir den Diskurs von Moderne und Tradition, dem ich in dieser Kollektion nachgehen wollte.
://CC: Du hast schon erwähnt, dass dein kultureller Hintergrund maßgeblichen Einfluss auf deine Arbeit hat. Spiegelt sie sich auch in deinem alltäglichem Leben wieder oder beschränkt sie sich auf deine Arbeit?
SASA: Natürlich! Die meisten meiner Konversationen beginnen mit dem Hinterfragen der Herkunft. »Wo kommst du her?«, »Was machst du hier?«. Ich konzentriere mich oft darauf, was mein Hintergrund zur Gesellschaft beiträgt oder inwiefern die Gesellschaft, in der ich mich befinde mich beeinflusst.
://CC: Während deiner beeindruckenden Show habe ich mich in die Bänder verliebt, Redewendungen wie: »ME + YOU = LOVE« oder »IF YOU LOVE ME PULL!« waren aufgedruckt. Sie erinnerten mich ein bisschen an die Hershey Kisses, die man in den Staaten an jeder Ecke findet.
(beide lachen)
SASA: Burkas werden immer als etwas sehr traditionelles und begrenzendes gesehen. Ich empfinde sie auf eine Art und Weise befreiend, denn man kann sich hinter ihnen verstecken. Die Bänder fungieren als Aufforderung mich zu entdecken. Zieh dran und ich offenbar mich dir!
://CC: Absolut! Manche sagen Burkas würden die Identität der Frauen unterdrücken. Ich kann diese Aussage nur zu Teilen bekräftigen. Was die westliche Kultur oft vergisst ist, dass die Identität der Frau nicht auf ihren reinen Körper limitiert ist, sondern weit darüber hinaus geht. Ich empfinde dieses Konzept als sehr bemerkenswert in deiner Kollektion und hoffe, dass sie auch beim Publikum ankommt.
SASA: Ja! Bitte!
://CC: Lass uns noch weiter gehen. Hast du jemals den Gedanken gehabt, wie die rezitierten Kulturen selbst auf deine Arbeit reagieren?
SASA: Das ist witzig, dass du mich das fragst. Erst vor kurzem habe ich eine Mail vom Ethnographischen Museum der Künste in Belgrad bekommen. Ich habe dort mal eine Art Praktikum absolviert. Sie haben mich sehr für meine Arbeit kritisiert, meinten ich hätte falsche Referenzen benutzt. Ich habe diese negative Antwort auf meine Arbeit nicht verstehen können, es gibt nicht nur einen Weg eine Kultur zu beschreiben, sondern so viele mehr! So viele Wege, Einflüsse und tief verwurzelte Traditionen, die unmöglich nur auf eine Art zu beschreiben sind. Beschäftigt man sich erst mal mit einer Kultur, eröffnet sich das ganze Farbspektrum dieser.
(Ein kurzweiliges, in gedankenvertieftes Schweigen tritt ein)
Und genau dieser Gedanke ist in jedem Teil meiner Kollektion manifestiert. Ich habe darüber nachgedacht nur mit Schwarz zu arbeiten, aber die Menschen hätten nicht darauf reagiert, wie ich es gewollt hätte, es hätte ihnen nicht den Facettenreichtum nahe legen können.
://CC: Deine künstlerische Selbstverwirklichung scheint frei von jeglichen Konventionen zu leben. Denken wir an deine Landesgenossin Marina Abramovic oder viele weitere Künstlern, die in ihren Ländern für ihre Arbeit oft mehr als nur kritisiert werden. Auf diese Probleme blickend, was würdest du der jüngeren Generation von Kreativen mitteilen wollen?
SASA: Man sollte sich und seiner Identität immer treu bleiben. Diese beiden Komponenten sind der Ursprung aller Ideen. Sie basieren auf deinem Hintergrund, deiner Familie und deiner Vergangenheit. Wir sind alle Individuen, die versuchen sich in jeglicher Art und Weise in unserer Gesellschaft zu etablieren. Wir sollten mehr mit unseren eigenen Augen schauen. Für mich ist es sehr deutlich woher ich komme, seit ich denken kann benutze ich meine Herkunft als Referenz, sie hat größte Bedeutung für mich. Die jüngeren Generationen sollten auf sich beruhen und nicht auf die Normen der Gesellschaft oder anderer.